Hördateien zu den
Bildern von Günter Sponheuer
gesprochen von Manfred Ody

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Schul- und Gottesdienstweg im Winter für die "Andersgläubigen"
 

Endlich Frieden. Endlich! Frieden!

Als 1648 in Osnabrück und Münster nach dreißig Jahren Krieg der Frieden verkündet wurde, begrüßten die überlebenden diese Nachricht mit Freudenfeiern und innigen Dankesgebeten. Dieser Krieg hatte Tod, Verwüstung und Verzweiflung in jeden Winkel Mitteleuropas gebracht. Umherziehende Söldnertruppen hatten gebrandschatzt, gemordet und geraubt. Die einfachen Menschen hatten schon früh um Frieden gefleht. Doch erst als die Mächtigen nach vielen Jahren kriegsmüde wurden, wuchs die Einsicht, dass jenen die Zukunft gehörte, die zu Kompromissen bereit waren. In den ersten Jahren dieses Krieges hatte das Volk noch leidenschaftlich für oder gegen die Reformation gestritten. Doch nun waren Glaubensdinge und Frömmigkeit in den Hintergrund getreten. Zu oft hatte die jeweilige Herrschaft von den Menschen gefordert, von einem Tag auf den anderen den Glauben zu wechseln. Aus katholischen Untertanen waren evangelische geworden, aus Protestanten Katholiken – mit einem Federstrich.


 
Grenzen der Religionsfreiheit
 

Welche Kompromisse ermöglichten den Frieden?

Zunächst einigte man sich auf Glaubensfreiheit. Niemand sollte in einen Glauben gezwungen werden. Allerdings: Nicht jeder konnte seinen Glauben überall öffentlich ausleben. Die Unterhändler des Friedens nahmen im Fürstbistum Osnabrück jede einzelne Pfarrgemeinde in den Blick und entschieden, welches christliche Bekenntnis frei ausgeübt werden durfte. Als Grundlage der Entscheidung sollte das Bekenntnis des Pfarrers im Jahr 1624 gelten.

Von den 53 Gemeinden im Osnabrücker Fürstbistum wurden 28 Gemeinden dem katholischen Glauben zugerechnet und 17 dem protestantischen. In 8 Gemeinden wurde ein Simultaneum eingerichtet, das heißt: sowohl die katholischen wie auch die evangelischen Einwohner durften dort Gottesdienst halten und Schulen errichten.

In zwei Orten des Fürstbistums kam es auf diese Weise zu unglücklichen Entscheidungen: in Fürstenau und Schledehausen.

In beiden Fällen lagen Dokumente aus dem Jahr 1624 vor, so dass die Entscheidung rechtlich sicher gefällt werden konnte. Aber das Dorf Schledehausen wurde trotz einer überwältigenden Mehrheit von 2000 protestantischen Einwohnern bei nur knapp 20 Katholiken zu einer katholischen Gemeinde erklärt. Das bedeutete für die Protestanten eine große Härte, denn wenn sie einen evangelischen Gottesdienst besuchen wollten, mussten sie die Kirche in der fünf Kilometer entfernten Nachbargemeinde besuchen. Und Gleiches galt für die Schulbildung ihrer Kinder, denn der Gemeindepfarrer hatte die Schulaufsicht. Entweder mussten die Schüler einen weiten Schulweg zurücklegen, der im Winter gefährlich war, oder sie mussten am katholischen Schulunterricht des Dorfes teilnehmen.


 
Beschwerden, Eingaben, Provokationen
 

In Fürstenau wurde die Pfarrei hingegen protestantisch. Auch hier gab es eindeutige Dokumente für das Jahr 1624. Doch die historisch-politische Lage war kompliziert: Nachdem die Reformation in Fürstenau schon früh Fuß gefasst hatte, war der Ort dennoch ab 1625 bis weit ins Jahr 1647 katholisch gewesen. Erst während der Friedensverhandlungen wurde Fürstenau – aus Sicht der katholischen Seite widerrechtlich - von der protestantischen Kriegspartei zurückerobert. Als Ausgleich für diese Verletzung der Waffenruhe während der Verhandlungen forderten die Katholiken diesen Ort für ihre Seite. Lebte denn in Fürstenau nicht eine beachtliche Anzahl an Katholiken? Da die Rechtslage eindeutig für den Protestantismus sprach, wurde der katholischen Seite ein Kompromiss angeboten. Ihr wurde die zur Marktkirche gehörige Vikarie der Hl. Drei Könige übertragen. Hier sollte ein katholischer Geistlicher geduldet werden. Er würde – im Stillen - für die katholischen Einwohner tätig sein dürfen. Haustaufen und Vermählungen in Privathäusern wären statthaft. Auch ein katholischer Leichenzug sollte – allerdings nur bis zur Friedhofsmauer - möglich sein. Die Beerdigung selbst sollte nach protestantischem Ritus erfolgen. Eine gleichberechtigte öffentliche Religionsausübung wurde für unmöglich erklärt.

Bischof Franz Wilhelm, der bis zu den Friedensverhandlungen katholischer Landesherr des Fürstbistums Osnabrück gewesen war und nach Friedensschluss in dieses Amt zurückkehrte, konnte es nicht verschmerzen, dass in dieser Stadt, die er bis ins Jahr 1647 besessen und seiner Meinung nach unrechtmäßig verloren hatte, die Protestanten allein das Recht auf freie und öffentliche Religionsausübung zugesprochen bekamen. Er führte den katholischen Gottesdienst wieder ein und erlaubte ihn unter der Bezeichnung „Hausgottesdienst“ auf seinem Amtssitz im Schlossturm. Sein Nachfolger, der protestantische Landesherr Ernst August I., stellte ihn sofort wieder ein. Da der Westfälische Frieden für das Fürstbistum eine stetige Abfolge von katholischen und lutherischen Landesherren vorsah, begann in Fürstenau ein seltsamer Reigen: Alle katholischen Regierungen erlaubten den Gottesdienst in der Burgkapelle. Zur Regierungszeit der evangelischen Landesfürsten jedoch wurden die Katholiken für den Gottesdienst aus der Stadt verwiesen. Sie besuchten dann die Kirche im benachbarten Schwagstorf, eine Stunde Weg aus der Stadt heraus.


 
Die Ketten werden zerschlagen
 

Mit den Jahren verblassten die Erinnerungen an die Schrecken des Krieges und mit ihnen die Einsicht, dass Kompromisse und Toleranz notwendig sind für ein gutes Zusammenleben. Die Einwohner Fürstenaus machten sich das Leben zunehmend gegenseitig sauer. Die Geistlichen hatten großen Anteil daran. Im Juli 1716 richteten Pastor Braunes und die evangelischen Ratsherren ein Gesuch an den protestantischen Landesherrn, um eine Abwahl der katholischen Ratsmitglieder zu erreichen. Da Fürstenau evangelisch sei, so argumentierten sie, dürfe es auch nur evangelische Ratsherren geben. Der Bischof stimmte zu. Aber war denn nicht abzusehen, dass dies mit einem Wechsel des Landesherrn wieder rückgängig gemacht werden würde? Und richtig: Der folgende katholische Bischof bestimmte, dass die katholischen Ratsherren wieder eingesetzt werden mussten.

1728 hatte Vikar Krebsfänger begonnen, Katholiken widerrechtlich nach katholischem Ritus zu beerdigen und auf dem Friedhof Leichenpredigten zu halten. Er ging in seinem Ornat über die Straße und ließ sich eine brennende Leuchte sowie eine Schelle vorantragen. Er übte alles so aus, wie es katholische Geistliche in einem katholischen Kirchspiel vornahmen. Auf Befehl des Landesherrn mussten die evangelischen Einwohner die katholischen Feiertage achten, und wer an diesem Tag arbeitete, wurde hart bestraft.


 
Geheimrat Justus Möser
 

Im Nachhinein verwundert es nicht, dass die konfessionellen Gräben in Fürstenau immer tiefer wurden. Als 1764 wieder ein Protestant Landesherr wurde, sann die protestantische Seite darauf, die Katholiken ihrerseits zur Feier der lutherischen Bet-Tage zu zwingen. Man versperrte ihnen das Haupttor, das aus der Stadt führte, mit Ketten, um, wie es hieß, jegliches Gelärme auf der Hauptgasse während des protestantischen Gottesdienstes zu verhindern. über diese Gängelei empört, zerschlugen drei Katholiken die Ketten mit äxten. Den sich an diesen Konflikt anschließenden Gerichtsprozess gewann der protestantisch geführte Magistrat der Stadt Fürstenau in drei Instanzen. Aber er verursachte über tausend Reichstaler Kosten. Die Schulden, die die Stadt beschwerten, schrieb der Bürgermeister nur der Uneinsichtigkeit der Katholiken zu.


 
Zeichen der Verbitterung
 

Die Situation in Fürstenau spitzte sich immer weiter zu. Die Verbitterung der Einwohner schien mit jedem Jahr tiefer, und ihr religiöser Eifer wurde beißender. Die Landesregierung sah dies mit wachsender Beunruhigung.

1774 wurde Geheimrat Justus Möser vom Landesherrn beauftragt, für die hartnäckigsten konfessionellen Konflikte im Fürstbistum eine Lösung zu finden. Justus Möser hatte sich als herausragender Diplomat erwiesen. Er war ein kluger Jurist mit ausgleichendem Wesen. Sein Ziel war es, die unglücklichen Vereinbarungen des Friedensvertrags von 1648 neu auszuhandeln und in den Orten Fürstenau und Schledehausen Simultaneen einzurichten. Beide Konfessionen würden eine neue Pfarrgemeinde erhalten. Doch kurz vor dem Abschluss dieses ausgleichenden Vertrages wussten „übelgesinnte“, so nannte Justus Möser sie, sein Zustandekommen zu verhindern. Die Verhandlungen wurden von katholischer Seite abrupt beendet.

Eine neue Situation trat 1781 ein, nachdem ein Feuersturm über das Dorf Schledehausen hinweggefegt war und über 60 Häuser des Dorfes niedergebrannt hatte. Auch die Kirche war in Mitleidenschaft gezogen, Dachstuhl und Turm waren ausgebrannt, die Glocken geschmolzen. Die protestantischen Schledehausener wurden vom Landesherrn aufgefordert, die katholische Kirche wieder in Stand zu setzen. Doch sie weigerten sich. Sie erklärten, für die wenigen Katholiken des Ortes sei eine halb so große Kirche ausreichend. Sie seien nur bereit, die große Kirche wiederaufzubauen, wenn auch sie Gottesdienst darin würden halten können.

Der höchste katholische Würdenträger der Region, Erzbischof Maximilian von Köln, versprach, dass die Verhandlungen fortgeführt würden. 1783 setzte Justus Möser die Gespräche dort fort, wo sie fast zehn Jahre zuvor gescheitert waren. Sie dauerten drei Jahre und endeten mit dem Vertrag von 1786.


 
Pastor Lange und Pfarrer Filmer im Gespräch
 

Dieser Vertrag änderte das Leben der Menschen in drei Orten des Fürstbistums von Grund auf, und er sah Verbesserungen des Schulwesens in allen Gemeinden vor. Vielerorts wurde der Vertrag bejubelt, in Schledehausen wurde er sogar als diplomatische Meisterleistung betrachtet. In Fürstenau und Bersenbrück hingegen war man entsetzt. Zur Finanzierung der Veränderungen war vereinbart worden, das Bersenbrücker Zisterzienserinnenkloster zu schließen. Keineswegsgeschah dies im Einverständnis mit der äbtissin. Allein aus finanziellen Gründen hatte man sich zu diesem Schritt entschieden. Es war das reichste Kloster im Fürstbistum. Da eine rasche Schließung nur mit einer List durchführbar war, wurden die Klosterfrauen bis zum Tag der Auflösung über die Schließungsabsicht im Unklaren gelassen. Die äbtissin und der Konvent sahen sich als Opfer einer politischen Intrige. Der von Justus Möser ausgehandelte Vertrag sah vor, in Schledehausen und Fürstenau zwei neue Pfarrgemeinden entstehen zu lassen: eine katholische in Fürstenau und eine protestantische in Schledehausen. Die Schledehausener Protestanten würden sich die Kirche im Ort mit den Katholiken teilen. In Fürstenau sollte alternativ für die Katholiken eine eigene Kirche innerhalb der Stadtmauern gebaut werden dürfen.

Man kann sich das Entsetzen der protestantischen Fürstenauer nicht groß genug vorstellen. Die Katholiken sollten von nun an die gleichen Rechte genießen wie sie? Das konnte aus Sicht des inzwischen wieder vollständig protestantischen Stadtrats nicht rechtens sein! War dieser Stadt durch den Westfälischen Frieden denn nicht zugesichert worden, auf ewig protestantisch zu bleiben? Der Landesherr des Fürstbistums Osnabrück, so argumentierte der Stadtrat, habe nicht das Recht, so weitgehend in die städtische Ordnung einzugreifen. änderungen dürften, wenn überhaupt, nur mit Zustimmung des Stadtrats erfolgen.

Die protestantischen Bürger empfanden die Aussicht, dass es demnächst wieder katholische Ratsmitglieder geben würde, als unerträglich. Im Juni 1788 erklärten sie, wenn dies nicht verhindert würde, entstünde beim Einzug der Katholiken in den Rat Mord und Totschlag.


 
Herausforderung Toleranz
 

Die Stadt Fürstenau appellierte an den Reichstag und löste damit eine aufsehenerregende öffentliche Kontroverse aus. Zwischen 1787 und 1789 erschienen dreizehn juristische Gutachten zu der Frage, ob die Landesregierung das Recht habe, in Fürstenau ein Simultaneum einzurichten. Der Magistrat zog vor das höchste Gericht seiner Zeit, das Reichskammergericht in Wetzlar, und klagte gegen die Landesregierung.

Justus Möser sah sich genötigt, den Vertrag, der ihn so viele Jahre beschäftigt hatte und auf den er stolz war, schriftlich zu verteidigen. Jeder, der guten Willens war, konnte mit Hilfe dieser Schrift die wahren Konfliktlinien sehen: In Fürstenau war über Generationen hinweg eine tiefe Kränkung entstanden. Dass eine Lösung von außerhalb Frieden bringen könnte, wurde dort für unmöglich gehalten.

1795 verlor Fürstenau diesen Rechtsstreit.

Justus Möser war zuversichtlich, dass die Nachkommen der evangelischen Fürstenauer dem Landesherrn dankbar sein würden, wenn sie in einiger Zukunft in ruhiger Einigkeit mit ihren katholischen Mitbürgern leben könnten.

90 Jahre nach diesem Streit, als die katholischen Einwohner sich ihre Pfarrgemeinde längst auf dem Schloss eingerichtet hatten, versuchten Pastor Lange auf evangelischer und Pfarrer Filmer auf katholischer Seite bei wöchentlichen Gartengesprächen Brücken über den konfessionellen Graben zu schlagen. Doch das Misstrauen innerhalb ihrer Gemeinden saß tief und wurde über Erzählungen im Familienkreis von einer Generation an die nächste weitergereicht. Die Frage, welcher Konfession man angehörte, war noch bis in die 1970er Jahre hinein von wesentlicher Bedeutung. Sie bestimmte, welchen Arzt man besuchte, auf welche Schule die Kinder gingen, welche Freunde sie hatten und mit wem die Familie Umgang pflegte.


 
NACHWORT

Noch im 20. Jahrhundert fuhr ein evangelischer Bauer mit seinem Jauchefass an der Fronleichnamsprozession der Katholiken vorbei, hin und wieder Jauche ablassend. Eine solche von religiöser Intoleranz geprägte Provokation zwischen den christlichen Konfessionen ist heute - in unserer Region - glücklicherweise kaum noch vorstellbar.

Aber, so lässt sich fragen: wie sieht es mit unserer religiösen Toleranz aus, wenn es um die freie öffentliche Ausübung einer nicht-christlichen Religion geht? Die Kirchenglocken von katholischer wie protestantischer Gemeinde klingen regelmäßig durch den Ort. Sie rufen ihre Gemeindemitglieder zur Feier des Gottesdienstes. Wie groß wäre unsere Bereitschaft, beispielsweise einer muslimischen Gemeinde das gleiche Recht der öffentlichen Religionsausübung zuzubilligen?


 

Mehr Informationen über diese Ausstellung, den Künstler Günter Sponheuer und weiteren Veranstaltungen erhalten sie auf unsererInternetseite zur Ausstellung in Fürstenau.

Kontakt

Veranstalter

Förderverein Museum des Landkreises Osnabrück in Bersenbrück e. V.
Vorsitzender: Dr. Wilfried Markus, Bersenbrück

Projektleitung

Dr. Jutta Stalfort, Bersenbrück
   0 54 39/90 23 26
   kontakt@jutta-stalfort.de